Gesundheitstag 2012 - Interview mit Toni Förtsch

„Königsee ist meine Lieblingsbahn"

Junioren-Weltmeister Toni Förtsch, Jürgen Eckstein und Deutsche Meisterin im Rodeln Svenja Oestreicher   Foto: S. Traut

Der zweifache Juniorenweltmeister im Rodeln, Toni Förtsch war einer der Gäste des Gesundheitstages in Sonneberg. Jürgen Eckstein sprach mit Toni Förtsch über seine bisherige Laufbahn, seine Ziele und über das Deutsche Rodeln.


Toni, Du bist heuer zusammen mit Deinem Doppelpartner Nico Grüßner am Königsee zweifacher Weltmeister der Junioren geworden.

War dies Dein bisher größter Erfolg und habt ihr damit gerechnet?


Letztes Jahr konnten wir uns in Oberhof bei der Heim-WM schon Silber im Doppelsitzer und Gold mit der Team-Staffel sichern. Das wir dieses Jahr nochmal einen drauf setzen konnten und mit zwei Weltmeistertiteln aus Königssee/ Berchtesgaden in die Heimat zurückkehrten, war schon Wahnsinn. Aber da es unser letztes Juniorenjahr war, waren wir auch gezwungen, eine Medaille zu holen, um uns den B-Kaderstatus zu sichern. Nur dieser Kaderstatus gewährleistete uns die Chance, den Leistungssport weiterhin betreiben zu können. Wir fuhren somit auch um unsere Karriere.


Sag uns doch einmal, wie wird man zweimal Weltmeister?


Ich muss sagen es war eine, unserer schwierigsten Saisons. Wie ich schon erwähnt habe, mussten wir zur JWM unbedingt auf dem Stockerl stehen. Es fiel uns schwer diese Tatsache einfach auszublenden und so fuhr dieser Druck die gesamte Saison mit uns mit.

Wir konnten nicht wirklich befreit und locker unsere Wettkämpfe durchziehen, da man von uns Trainingsältesten natürlich auch einiges erwartete. Hinzu kam, dass sich Nico zu Beginn der Saison an der Schulter verletzt hatte. Somit waren wir am Start stark beeinträchtigt. In den Jahren zuvor waren wir die Startraketen, die die Zeit eher ein wenig in der Bahn verloren haben. Dieses Jahr waren wir durch die schlechteren Startleistungen gezwungen, mehr Augenmerk auf die Fahrt zu legen, was uns in den nächsten Jahren sicher zu Gute kommen wird. Im Laufe des Winters wurden wir am Start immer besser und besser. Ungefähr 3 Wochen vor der WM wurde uns zusätzlich Jan Eichhorn als Coach zur Seite gestellt, da dieser seine Karriere zuvor beendet hatte. Dies motivierte mich noch einmal richtig, da sich nun ein Trainer explizit mit uns auseinandersetzen konnte. Er brachte auch neue Trainingsvarianten ein, um uns wirklich zum Saisonhöhepunkt 100% fit zu haben. Ich reiste relativ relaxt zur WM-Woche an, da ich wusste, dass ich körperlich richtig fit war und eine Rennschiene dabei hatte, die ich in verschiedenen Testlehrgängen zuvor genau auf Königssee abgestimmt hatte. Diese war dort bei jedem Wetter sauschnell. Vom ersten Tag an, fuhren wir im Training vorne weg. Dies lag vor allem daran, dass wir wieder annähernd an unsere alte Startform rangekommen sind. So knackten wir im Training schon fast den Startrekord von Wendl/Arlt. Am Wettkampftag war irgendwie alles anders, als zu den vorrangegangenen Wettkämpfen. Jeder ausländische Trainer und Sportler begrüßte uns mit so viel Respekt und wünschte uns, dass wir unsere Trainingsleistung annähernd abrufen können. Das war schon besonders – da wir uns innerhalb dieser einen Woche zum absoluten Favoriten entwickelt hatten. Für die Erwärmung schotteten wir uns ab und zogen auch den Wettkampf in aller Seelenruhe durch. Wir hatten den Tag komplett durchgeplant und dies machte uns so nervenstark. Ja und nach zwei Rennläufen standen wir ganz oben auf der Anzeigetafel.

 

Zählt die Bahn am Königsee zu Eueren Lieblingsbahnen ? ... und wo fahrt ihr noch besonders gerne?


In der Tat ist Königssee, von den vier deutschen Bahnen, eine meiner Lieblingsstrecken. Mit den engen Kurvenradien und hohen Fliehkräften in den Kurvendurchfahrten verlangt sie einem wirklich eine Menge ab. Aber meine absolute Lieblingsbahn, ist die Olympiabahn von Cesana in Italien. Diese ist um einiges schneller, aber leider auch gefährlicher, ähnlich wie die in Whistler. Bedauerlicherweise soll diese nun aber aus wirtschaftlichen Gründen abgerissen werden. Dieses Jahr konnte mit meinem Rodelpartner Nico im Rahmen des Juniorenweltcups auch die Strecken in Amerika, wie Park City oder in Calgary kennenlernen, welche uns durchaus auch zusagen und gefallen.


Toni, wie bist Du zum Rennrodeln gekommen?


Ich kam schon recht früh zum Rodelsport. In meiner Grundschulzeit gab es nachmittags eine AG, in der „der Bewegungsdrang" der Kinder durch Staffelspiele, etc. gestillt wurde. Diese AG führte der ehemalige Rodeltrainer Joachim Mätzel. Dieser suchte sich dann ein paar Schüler aus, die er für talentiert befand und nahm sie einfach mal mit nach Oberhof zu einem Sommerwettkampf auf der Bahn. Ich war auch unter den „Auserwählten". In meinem allerersten Wettkampf bin ich in der Betonwanne von Oberhof gestürzt..., dementsprechend war ich von Schürfwunden und Blessuren übersät. Dies stachelte mich aber noch mehr an, diesen Sport beherrschen zu wollen. So wechselte ich 1998 mit sechs Jahren in den RRV Sonneberg/Schalkau und später mit 12 Jahren (2004) ans Sportgymnasium nach Oberhof.


Hat man da nicht Angst, die Eisbahn oder die Kunststoffbahn hinunter zu rasen und evtl. bei einer hohen Geschwindigkeit zu stürzen?


Angst vor einem Sturz - das Gefühl darf nicht aufkommen, sonst wird es gefährlich und es ist besser, erst gar nicht zu starten. Eine gewisse Portion Respekt gehört immer dazu und sicherlich variiert diese Portion von Bahn zu Bahn. Aber im Endeffekt, ist es ja genau diese hohe Geschwindigkeit und die damit verbundene Gefahr, die den Reiz ausmacht. Stürze gehören bei uns zum Lernprozess dazu, wenn man ans Limit geht, um die internationale Konkurrenz hinter sich zu lassen. Jeder von uns stürzt mindestens 5-10 Mal pro Saison. Doch dies läuft meist glimpflich ab, da wir mittlerweile auch wissen, wie wir uns bei einem Sturz zu verhalten haben. Allerdings rufen uns solche Unfälle, wie der des georgischen Rodlers Nodar Kumaritashvili, der bei Olympia 2010 tödlich verunglückte, immer wieder ins Gewissen, dass Rennrodeln kein Kinderspiel, sondern eine Rennsportart ist.

 

Wer waren Eure ersten Trainer, wie oft trainiert Ihr?


Wie erwähnt brachte mich Joachim Mätzel zum Rodelsport. Zusammen mit Thomas Langhammer trainierte er mich von 1998-2004 hier in Sonneberg. Danach folgte der Wechsel ans Sportgymnasium, wo ich einige Trainer bis hin zum Juniorenbundestrainer Reinhard Witter durchlaufen habe. Mittlerweile stehen 3 – 4 Trainingseinheiten pro Tag auf dem Trainingsplan. Hinzu kommen physiotherapeutische Maßnahmen und Schlittenbau. So ist der Tag komplett ausgefüllt.


Man sagt immer, Wintersportler werden im Sommer gemacht. Kann man dies auch von den Rennrodlern sagen?


Auf jeden Fall. Unsere Saison endet Ende Februar. Der März steht uns zur regenerativen Phase zur Verfügung, in der jeder seine kleineren Verletzungen auskurieren kann. Dass Training ist in dieser Zeit eher reduziert und „freudbetont". Jetzt nach Ostern bin ich wieder in den vollen Trainingsbetrieb eingestiegen. Bis Juni steht viel allgemeines Kraftraining und Ausdauertraining auf dem Plan, um die Athletik zu verbessern. Im Sommer haben wir schon den ersten Startlehrgang auf der vereisten Startstrecke in Königssee. Danach nehmen das Techniktraining und das Maximalkrafttraining zu. Natürlich wird auch nebenbei im Sommer auf Schlitten mit Inlinerrollen gerodelt. Im September wird vor allem die Schnellkraft geschult, um im Winter am Start die entscheidenden Hundertstel raus zu holen. Und Anfang Oktober beginnt schon das Bahntraining auf Eis mit den anschließenden Ausscheidungsrennen für die Weltcupserie. Wir sind da ja nicht von Schnee- oder Wetterverhältnissen abhängig, wie z.B. die Langläufer oder Biathleten, da unsere Bahnen künstlich vereist werden.


Im Deutschen Rodelsport hat sich nach Olympia ein Generationswechsel vollzogen. Nach dem Karriereende von Leitner/Resch, Florschütz/Wustlich, Jan Eichhorn und Sylke Otto ist dennoch keine Lücke entstanden. Felix Loch, David Möller, Andi Langenhan, Tatjana Hüfner, Natalie Geisenberger, sowie Wendl/Arlt und Eggert/Benecken sind absolute Weltspitze. Wie ist es zu erklären, dass die Deutschen Rodler so dominant sind?


Deutschland ist wirklich eine Rodelmacht. Zum einen werden eben solche genannten Sportler als Trainer gebunden und können so ihr Wissen frisch an den Nachwuchs weitergeben – Florschütz und Eichhorn sind aktuell meine Trainer. Zum anderen wird in Deutschland sehr viel in den Schlittensport investiert. So gibt es 4 Bahnen, auf denen die jeweiligen Stützpunkte dem Nachwuchs das Rodeleinmaleins beibringen können. Das ist weltweit einmalig. Ebenso ist die soziale Unterstützung in Deutschland mit Bundeswehr, Landespolizei und Bundespolizei unverbesserlich. Wir müssen maximal 2-4 Monate im Jahr für unseren Arbeitgeber arbeiten und sind das restliche Jahr komplett für den Sport freigestellt. Somit stehen uns super Vorbereitungsmöglichkeiten auf den Winter zur Verfügung. Darum beneidet uns jeder Ausländer. Ich habe viele ausländische Freunde, die das ganze Jahr auf dem Bau oder im Büro arbeiten, und nur zu Wettkämpfen freigestellt werden. Diese können nicht annähernd so trainieren wie wir in Deutschland. Und wenn man bedenkt, dass diese nicht an allen Wettkämpfen teilnehmen können, weil ihnen mitten in der Saison das Geld ausgeht, müssen wir in Deutschland diese Situation wirklich zu schätzen wissen und alles für den maximalen sportlichen Erfolg tuen.


Spielt das Material eine große Rolle?


Das Material ist wirklich ausschlaggebend für den Erfolg. Es nützt dem besten Rodler nichts, wenn sein Schlitten nicht rennt. Es gibt sicher ein paar ausländische Rodler (gerade aus den Ostblockländern), die mit unserem Material ähnliche Leistung erzielen würden. Wir in Deutschland müssen wirklich dankbar sein, dass so viel Geld in die Forschung und Weiterentwicklung der Geräte gesteckt wird. Allerdings wandern immer mehr deutsche Trainer ins Ausland ab, die dann natürlich auch das deutsche Know-How ins Ausland tragen. Vor allem in den letzten fünf Jahren haben die Ausländer wie USA, Russland oder Kanada auf uns erheblich aufgeholt. Somit bin ich gespannt, wie sich dies in Richtung Olympia 2014 entwickelt.


Wer ist für den Schliff der Kufen verantwortlich?


Je älter man wird, desto eigenständiger arbeitet man am Schlitten. Früher hat der Trainer Anweisungen gegeben, wie man was zu machen hat. Mittlerweile tüftelt man selbst am Gerät und präpariert die Schienen. Natürlich werden größere Veränderungen mit dem Trainer abgesprochen, um ein Feedback zu bekommen. Ich persönlich interessiere mich sehr für den Schlittenbau und stehe auch das ein oder andere Stündchen länger im Schlittenkeller, als andere Sportler. Es gibt mir einfach mehr Sicherheit auf der Bahn, wenn ich mich intensiv mit dem Schlitten beschäftigt habe und somit besser einschätzen kann, wie er in bestimmten Situationen reagiert.


Was kostet ein Schlitten, was ein Rennanzug?


Früher mussten meine Eltern für die Ausrüstung aufkommen. Da wir um Tausendstel kämpfen, wird der Anzug maßgefertigt, um aerodynamisch nichts zu verschenken. So kostet ein Rennanzug 250€, ein Helm 160€, die Streckschuhe 100€ usw. da kam pro Saison Einiges zusammen. Seit 4 Jahren gehöre ich aber der Juniorennationalmannschaft an, somit wird mir mittlerweile die Ausrüstung gestellt. Dieses Jahr baue ich mir mit meinem Doppelpartner ein neues Gerät auf, um im Seniorenbereich annähernd mithalten zu können. Für das Gestell planen wir ca. 2000€ ein... hinzu kommen aber noch Schienen für ca. 1000€/Paar. Somit ist es wirklich ein teurer Sport.


Welches sind Eure Saisonziele im kommenden Winter?


Wir sind gerade von den Junioren zu den Senioren aufgestiegen. Nico und ich sind realistisch und wissen, dass wir uns erst einmal hinten anstellen müssen. Es gilt hier bei den Senioren Erfahrung zu sammeln und von den Älteren so viel wie möglich abzuschauen. Allerdings hoffen wir, dass wir den ein oder anderen bei den Qualifikationsrennen für den Weltcup ärgern können. Mittelfristig ist der 3. Weltcupplatz im deutschen Lager das Ziel, da mit Wendl/Arlt und Eggert/Bennecken zwei Weltklasse-Doppel die ersten beiden Plätze für sich behaupten. Um den dritten freien Startplatz streiten sich aber vier Doppel - das wird kein Zuckerschlecken.


Werden wir Toni Förtsch möglicherweise 2014 in Sotschi schon bei Olympia sehen?


Haha – nein ich denke nicht. Das kommt wirklich etwas zu früh. Jedem Teilnehmerland stehen lediglich 2 Startplätze zur Verfügung. Ich denke, dass Wendl/Arlt und Eggert/Benecken, aufgrund ihrer Klasse diese einnehmen werden.


Wir bedanken uns bei unseren Nachwuchs-Rodler Toni Förtsch und wünschen dem „Sumbarche" Jung für die Zukunft alles Gute.


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